Der Künstler Raul Castro Rios und sein Werk
Raul Castro (geb. 1937) stammt aus der Inkastadt Cusco in Peru.
Schon als Kind begeisterte ihn Ton als Material und er formte für sich als Spielzeug Tiere, die er in der bäuerlichen Umgebung beobachtete, sowie Werkzeuge aller Art, die es dort gab und Autos, die er in einer Zeitschrift gesehen hatte. Seine Lieblings beschäftigung war die Arbeit mit unterschiedlichen in seiner Heimat vorkommenden Tonsorten. In der Schule wurde die künstlerische Begabung vom Werklehrer erkannt, aber nicht weiter gefördert.
Mit 15 Jahren begann er bei der Eisenbahn zu arbeiten und bekam dort immer wieder Aufträge zur graphischen Gestaltung von Hinweisschildern und Informationstafeln. Er besuchte nebenher eine Abendschule und eignete sich die Technik des Modellierens mit Ton immer besser an. Da seine Arbeiten gefielen, beteiligte er sich mit Erfolg an regionalen und landesweiten nationalen Künstlerwettbewerben.
Mit 33 Jahren machte er das Hobby zum Beruf und zog mit seiner Frau Rosario und seinem sechs Jahre alten Sohn Fidel nach Lima. Dort modellierte er zehn Jahre lang für eine Andenkenhändlerin Tonplastiken: allerlei Musikanten, Marktfrauen, betende Mütter mit einem Kind im Tragetuch vor einem Kreuz, Handwerker und Bauern, Tiere, Krippenfiguren und immer wieder Christus am Kreuz.
Der deutsche Pfarrer Josef Neuenhofer aus Dunningen, der mit seiner Kirchengemeinde eine Partnerschaft zur peruanischen Diözese Chachapoyas unterhielt, entdeckte 1983 die Figuren von Raul Castro Rios. Er war von ihrer Ausdruckskraft fasziniert, suchte den Künstler, lud ihn ein zu einem Aufenthalt in Deutschland und schlug ihm verschiedene Projekte vor. Im Jahr 1984 war Raul Castro Rios für acht Monate in Dunningen und schuf für die Kirchengemeinde eine Weihnachtskrippe ganz im Stil und in der Tradition seiner südamerikanischen Heimat. 1985 setzte er dieses Werk fort, zusammen mit seiner Frau Rosario und seinem Sohn Fidel. Seine Tonfiguren brachte er zum Brennen in das benachbarte Franziskanerinnen Kloster Heiligenbronn.
Von Dezember 1986 an begann er nach einer Idee und unter der Anleitung des damaligen Superiors Peter Schmid den Heiligenbronner Leidensweg zu gestalten, der dann im Sommer 1988 eingeweiht wurde und dem zwei weitere Figurenzyklen des Lebens Jesu folgten: Von Januar 1991 bis November 1992 die Kindheit Jesu, von November 1993 bis November 1994 das Öffentliche Wirken Jesu.
Über diese Figurenzyklen gibt es eine DVD und ein Buch von Bert Herfen: Glauben mit Hand und Fuß. Das Kloster Heiligenbronn, die Schwesterngemeinschaft, die hör- und sehbehinderten Menschen dort sind für die Familie Castro wie eine zweite Heimat geworden, trotz sprachlicher Barrieren.
Von Mai 2005 bis Juli 2007 war die Familie Castro auf Einladung von Pfarrer Peter Schmid, Gast des Geistlichen Zentrums Kloster Heiligkreuztal und der Stefanus-Gemeinschaft, um in einem neuen Projekt die Gleichnisse Jesu, d.h. seine Predigt, als Fortsetzung der drei Zyklen über das Leben Jesu zu gestalten. Nach einigen Gleichnisszenen wurde dieses Projekt unterbrochen und abgelöst durch Szenen der heiligen Sippe, der Großeltern Jesu, Joachim und Anna und durch die Konzeption einer Josefskrippe als Weg der Menschwerdung Gottes in 14 Stationen, betrachtet mit den Augen und dem Herzen des heiligen Josef.
Von Mai 2009 bis Februar 2011 schuf Raul Castro, unterstützt von seiner Frau Rosario und seinem Sohn Fidel, nach Vorgaben von Pfarrer Peter Schmid, als vierten Zyklus zum Leben Jesu, die Ich-bin-Worte, verschiedene Bildworte, Reich Gottes Gleichnisse, die wichtigsten Beispielgeschichten Jesu, und drei Andachtsbilder: die Schutzmantel-Eltern Maria und Josef mit dem Jesusknaben in der heiligsten Dreifaltigkeit, vom geheimnisvollen Ursprung und Wesen der Kirche, das geopferte Lamm als Mitte des himmlischen Jerusalem.
Raul Castro ist ein bescheidener, stiller, geistlicher Mensch und begnadeter Künstler. Er betet und betrachtet das Wort Gottes. Wenn es in ihm zum Bild geworden ist, beginnt er mit der Arbeit und gibt dem Wort die Gestalt, die es in seinem Herzen angenommen hat. Seine Figuren und Szenen aus den Evangelien eröffnen neue Zugänge zur Person und Botschaft Jesu. Wer diese Zugänge nutzen und das Evangelium auf neue Weise erfahren möchte, kann im Haus Lebensquell des Klosters Heiligenbronn in der Stiftung Sankt Franziskus Heiligenbronn und im Kornhaus des Klosters Heiligkreuztal und im Münster von Heiligkreuztal, dem Werk von Raul Castro begegnen.
(Stand Februar 2011)